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Die negativen ökonomischen Konsequenzen der langfristig niedrigen Zinsen

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Die negativen ökonomischen Konsequenzen der langfristig niedrigen Zinsen

Eine Reihe von Studien weist auf die positiven makroökonomischen Effekte der unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen (Quantitative Lockerung, Negativzinsen) der Europäischen Zentralbank hin. Während der jährliche Effekt auf die Inflation relativ konsistent auf 0,6 %-Punkte geschätzt wird, sind die Schätzungen des Effekts auf das BIP-Wachstum zwar positiv, weichen aber stärker voneinander ab. (1) Am Ende wird aber eine Beurteilung nicht nur des ökonomischen Nutzens, sondern auch der Kosten der unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen erfolgen müssen. Es ist davon auszugehen, dass die permanente Niedrigzinspolitik zunehmend negative, ökonomisch unerwünschte Effekte mit sich bringt. Diese umfassen zum Beispiel die erschwerte langfristige Finanzvorsorge, die Ausbreitung von Zombiefirmen und geringeres Produktivitätswachstum, Verzerrungen in der Finanzintermediation oder eine potentielle Beschleunigung von Immobilienblasen.

Auswirkungen auf die Vorsorge
  • Österreichische Haushalte haben das Anlageverhalten aufgrund niedriger Zinsen nur marginal verändert.
  • Einlagen werden weiterhin präferiert, obwohl die durchschnittliche reale Spar-Rendite negativ ist und somit zu Kaufkraftverlusten führt.
  • Die direkten Effekte auf das Sparvolumen sind ambivalent. Eine Absenkung der Sparquote seit der Finanzkrise deutet jedoch eher auf eine verminderte Sparneigung hin.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht gibt es bislang wenige Anzeichen dafür, dass Österreichs Haushalte aufgrund des sinkenden Zinsniveaus die Altersvorsorge grundlegend verändern. Der Anteil des Finanzvermögens privater Haushalte, der auf Altersvorsorge entfällt ist seit Jahren konstant bei 20 % (Q2 2019: 142 Mrd. Euro).(2) Die größte Verschiebung des Anlageverhaltens ist hinsichtlich liquider Einlagen zu beobachten. Waren im ersten Halbjahr 2009 noch 31 % des Finanzvermögens in gebundenen Einlagen investiert, sind es im ersten Halbjahr 2019 nur noch 14 %. Spiegelbildlich stieg der Anteil täglich fälliger Einlagen (inklusive Bargeld) im selben Zeitraum von 14 auf 26 %. Liquide Wertpapiere (gelistete Aktien, Anleihen und Investmentzertifikate) gewannen jedoch nicht an Bedeutung, der Anteil blieb konstant bei 17 %.

Da es bislang zu keinen signifikanten Umschichtungen hin zu Anlageklassen mit höheren Ertragsaussichten gekommen ist, ist die durchschnittliche Rendite des Geldvermögens kontinuierlich gesunken. Die reale Rendite des Geldvermögens privater Haushalte betrug im Zeitraum 2009-18 0,6 % (p.a.) und war in den letzten vier Jahren (2015-18) sogar negativ (-0,1 %). Der reale Ertrag auf Einlagen betrug in den letzten vier Jahren -1,3 % (p.a.). Der gewählte Anlagemix österreichischer Haushalte, der Bankeinlagen präferiert, führt im derzeitigen Niedrigzinsumfeld zu einem Kaufkraftverlust des Geldvermögens. In Deutschland ist die Rendite des Geldvermögens deutlich höher, was auf den höheren Anteil der kapitalgedeckten Altersvorsorge zurückzuführen ist (Haber und Turner, 2019).

Zusammenfassend lässt sich der Schluss ziehen, dass das sinkende Zinsniveau zu realen Vorsorgeverlusten geführt hat. Das Vorsorgeverhalten österreichischer Haushalte hat sich bislang nicht dahingehend verändert, dass Anlageklassen mit höherer Renditeaussicht einen größeren Anteil des Geldvermögens einnehmen. Eine umfrage-basierte Studie unter österreichischen Haushalten hat darüber hinaus gezeigt, dass jener sehr kleine Anteil an Haushalten, welcher das Sparverhalten aufgrund niedrigerer Zinsen geändert hat, vermehrt in Immobilien, Gold oder andere als sicher empfundene Sachanlagen investierte (Beer, Gnan und Ritzberger-Grünwal, 2016). Die Autoren schlussfolgern eine nur geringe Effektivität der aktuellen Geldpolitik die Haushaltsnachfrage direkt zu stimulieren. Möglicherweise könnte sich das Vorsorgeverhalten jedoch substantieller ändern sobald das Bewusstsein der Langfristigkeit niedriger Zinsen steigt. Kapitalmarktnähere Veranlagung, wie beispielsweise via Investmentzertifikate, könnte an Bedeutung gewinnen, was sich auch in der Altersvorsorge widerspiegeln würde. Aufgrund der bisherigen Persistenz des Anlagemix sowie der geringen Risikopräferenz österreichischer Haushalte, ist jedoch von keiner rapiden Veränderung auszugehen.

Ist man nicht bereit zusätzliches Risiko einzugehen und verfolgt man gleichzeitig ein nominelles Sparziel, zum Beispiel bei Pensionsantritt, so können die niedrigen Zinsen auch dazu führen, dass mehr gespart wird (Einkommenseffekt). Seit der Finanzkrise ist die Sparquote in Österreich jedoch gesunken (2009-18: 8,2 %) und hat das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. Im internationalen Vergleich liegt Österreichs Sparquote über dem Schnitt der Eurozone (5,8 %) ist aber niedriger als in Deutschland, wo die Sparquote im Durchschnitt der letzten 20 Jahre relativ konstant bei 10 % lag. Ergänzende Informationen können dem UCM Weekly vom 24. Juni entnommen werden. (3)

Zombiefirmen und Produktivitätswachstum
  • Zombiefirmen traten in den 1990er Jahren in Japan auf – mit Konsequenzen für die gesamtwirtschaftliche Produktivität. In Europa hat man Zombiefirmen ebenfalls im Zusammenhang mit schwachen Banken gefunden.
  • Zuletzt wurde in Industrieländern ein Zusammenhang mit Niedrigzinsen festgestellt.
  • Der Markteintritt von Entrepreneurs wird durch Zombiefirmen erschwert.

In den 1990er Jahren hat fehlgeleitete Kreditvergabe durch japanische Banken die Stagnation der Wirtschaft verlängert (Caballero et al., 2008). Banken hatten Firmen finanziert, welche ohne die Bankkredite bereits insolvent gewesen wären („Zombies“), was verzerrende Folgen auf gesunde Firmen hatte, welche mit den quasi-insolventen Firmen im Wettbewerb standen. Zombiefirmen verfügen nicht über ausreichende Profitabilität, um ihre Schulden zu bedienen (Zinsdeckungsquote < 1 über eine längere Periode). Der Wettbewerb mit den schwachen Firmen reduzierte den Gewinn von gesunden Unternehmen und damit Markteintritte und Investitionen. Industrien, die von Zombies dominiert werden verzeichnen ein geringeres Jobwachstum und geringere Produktivität. Die geringe Produktivität („Sklerose“), die geringen Preise für ihre Produkte und die zu hohen Löhne, welche von Zombiefirmen bezahlt wurden, haben den Gewinn produktiver Firmen reduziert. Der Auslöser war der Einbruch von Aktien- und Immobilienpreise in den frühen 1990er Jahren (-60 bzw. -50 %), was den Besicherungswert von Krediten verringerte. Eine Reform oder Restrukturierung der Banken wurde verhindert. Unter den regulatorischen Rahmenbedingungen hätten die Abschreibungen der faulen Kredite dazu geführt, dass Kapitalerfordernisse (Basel) nicht mehr erfüllt würden.

Die japanische Erfahrung mit Zombiefirmen wird demnach nicht direkt mit zu niedrigen Zinsen in Zusammenhang gebracht. In den 1990er Jahren waren die Zinsen auch in Japan noch auf normaleren Niveaus. Niedrige Zinsen werden generell mit steigenden und zu hohen Vermögenspreisen assoziiert und nicht mit fallenden, wie im Falle von Japan. Allerdings führt der negative Effekt auf die Produktivität indirekt zu niedrigeren Zinsen. Die Frage für die Eurozone wäre, inwieweit Firmen finanziert werden, welche bei höheren Zinsen nicht überlebensfähig wären.

Schwache Banken => Zombiefirmen => geringere gesamtwirtschaftliche Produktivität

Europäische Zombiefirmen werden mit finanziell schwachen Banken und dem ineffizienten Insolvenzrahmen in Verbindung gebracht (Andrews und Petroulakis, 2019). Zombiefirmen treten zwischen 13 und 19 % öfter in Verbindung mit schwachen Banken auf. Dabei spielt auch der Insolvenzrahmen eine Rolle. Führt die Insolvenz zu keiner effizienten Restrukturierung und verringert sie die Wiederverwertungsraten, dann sind auch finanziell gesunde Banken öfter mit Zombies assoziiert. Eine Kapitalreallokation von kranken zu gesunden Firmen ist erschwert und ein Crowding-out von Kredit für gesunde und produktive Firmen findet statt.

Schwache Banken und schlechter Insolvenzrahmen => Zombiefirmen => erschwerte Kapitalreallokation und Crowding out von Kredit für gesunde Firmen

Die Verbreitung von Zombiefirmen hat seit 1980 zugenommen (Banerjee und Hofmann, 2019). In 14 Industrieländern stieg der Anteil von rund 2 % in den späten 1980er Jahren auf 16 % in 2016. Die Entwicklung dürfte mit geringerem finanziellen Druck (zur Rückführung von Schulden und Verringerung des Geschäftsumfangs) zusammenhängen, welcher mit niedrigeren Zinsen einhergeht. Tatsächlich hat die Rückführung von Fremdkapital („Deleveraging“) und damit zusammenhängend die Veräußerung von Vermögensaktiva durch Zombiefirmen nach 2000 abgenommen. Ein Rückgang der nominellen Zinsen von 1 %-Punkt seit 1980 (kurzfristige US Zinsen lagen in den 1980ern noch bei im Schnitt 8 %) erklärt einen Anstieg des Anteils der Zombiefirmen von 1,7 %. Zudem veranlagen Investoren bei niedrigen Zinsen in riskantere Firmen („Risk-taking“ Kanal der Geldpolitik), was den finanziellen Druck für Zombiefirmen zusätzlich verringert.

Niedrigere Zinsen => Geringerer finanzieller Druck => Zombiefirmen => geringere gesamtwirtschaftliche Produktivität

Bessere Verfügbarkeit von Kredit ermöglicht Entrepreneurs neue Innovationen, allerdings ermöglicht ein einfacher Kreditzugang weniger effizienten Firmen länger im Markt zu bleiben („Reallokationseffekt“) und entmutigt den Markteintritt von neuen und potentiell effizienteren Innovatoren (Aghion et al., 2018). Die entgegengesetzt wirkenden Effekte führen zu einem invertierten U-förmigen Zusammenhang zwischen Kreditzugang und Produktivitätswachstum, welche anhand von französischen firmenspezifischen Daten bestätigt wird. Die Konsequenz des Zusammenhangs für die Geldpolitik wäre, dass zu niedrigen Zinsen in guten Zeiten einen negativen Effekt auf das Produktivitätswachstum haben können.

Permanent niedrigere Zinsen => besserer Zugang zu Kredit => Innovationen durch Entrepreneure + geringerer Marktaustritt weniger effizienter Firmen => invertierter U-förmiger Zusammenhang zwischen Kreditzugang und Produktivitätswachstum

Niedrigzinsen und Kreditvergabe
  • In den Bankensystemen der Schweiz und des Euroraums wies man bereits unerwünschte Nebeneffekte der Negativzinsen nach.

Wie reagieren Banken auf lange Perioden niedriger Zinsen oder sogar Negativzinsen? Wie wirken sich negative Zentralbankzinsen auf die Kreditvergabe der Banken aus? In der Schweiz hat man unerwünschte Effekte der Negativzinsen festgestellt (Basten und Mariathasan, 2018). Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat 2015 den Einlagensatz von Null auf minus 75 Basispunkte gesenkt, wobei der negative Zinssatz nur jene Geschäftsbanken betraf, deren Zentralbankreserven ein gewisses Volumen überschritten (20 x Mindestreserven). Generell wollten die betroffenen Banken die Negativzinsen nicht auf ihre Kunden (Kontoinhaber) überwälzen. Banken wollten ihre reduzierten Zentralbankreserven nicht vollständig durch andere Aktiva ersetzen, was zur Bilanzverkürzung führte. Anstatt Privateinlagen zurückzuführen, haben Banken andere Fremdkapitalposten reduziert (z. B. Pfandbriefe), was zu höheren durchschnittlichen Refinanzierungskosten führte. Folglich verringerte sich die Laufzeitenkongruenz, was einen Anstieg des Zinsrisikos nach sich zog. Vor allem bei ausreichender Marktmacht haben Banken dennoch Kosten über Gebühren auf Kunden übergewälzt. Auf der Aktivseite der betroffenen Bankbilanzen wurden verstärkt risikoreichere Finanzierungen vorgenommen (Hypotheken, unbesicherte Kredite und Finanzmarktprodukte). Es wurde sogar beobachtet, dass Banken höhere Hypothekenzinssätze verlangen, um den Margendruck zu kompensieren.

Negativer Einlagensatz => Geschäftsbanken geben Negativzinsen nur widerwillig weiter => Bilanzverkürzung, höhere Gebühren, geringere Fristenkongruenz und höheres Zinsrisiko, höhere Hypothekensätze, höheres Kreditrisiko

Im Euroraum reagieren Banken mit hoher Einlagenfinanzierung ebenfalls widerwillig bei der Weitergabe der Negativzinsen (Heider et al., 2019). Folglich steigen die Refinanzierungskosten im Vergleich zu Banken mit geringerer Abhängigkeit von Privateinlagen und es kommt zu einer verstärkten Risikoaufnahme (Markt für riskantere syndizierte Kredite, jedoch nicht primär Zombiefirmen) und geringerer Kreditvergabe bei auf das Privatkundengeschäft spezialisierten Banken. Weitere vergleichbare Analysen für den Bankensektor im Euroraum wären notwendig.

Negativer Einlagensatz => Geschäftsbanken geben Negativzinsen nur widerwillig weiter => verstärkte Risikoaufnahme und geringere Kreditvergabe bei betroffenen, auf das Privatkundengeschäft spezialisierten Geschäftsbanken

Niedrigzinsen und Marktkonzentration
  • Niedrigzinsen verstärken in den USA die Marktkonzentration und führen zu niedrigerem Wachstum.

Niedrige Zinsen geben Marktführern einen strategischen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern (Liu et al., 2019). Der Effekt verstärkt sich, wenn die Zinsen gegen Null gehen. Marktstrukturen werden monopolistischer und das Produktivitätswachstum verlangsamt sich. Traditionell führt ein niedrigerer Zinssatz dazu, dass Marktführer und Mitbewerber mehr investieren, was die Produktivität erhöht. Der Anreiz zu investieren ist größer für den Marktführer und die Mitbewerber werden bei sehr niedrigen Zinsen stärker abgehängt, wodurch sich der Markt zunehmend monopolisiert. Es kommt auch zu einem invertierten U-Zusammenhang zwischen Zinsen und Produktivitäts- (bzw. Wirtschaftswachstum). Der Zusammenhang wurde für amerikanische Unternehmen getestet.

Niedrigere Zinsen => Marktführer und Mitbewerber investieren mehr, aber Marktführer profitiert mehr als Mitbewerber, weil der Markt zunehmend monopolitisch wird => geringerer Wettbewerb => geringeres Wirtschaftswachstum

Ist ein langfristiges Zinsumfeld ein Beschleuniger einer Immobilienblase?
  • Immobilienpreise sind auf Basis des OeNB-Fundamentalpreisindikators um 26 % (Wien) bzw. 14 % (Gesamt-Österreich) überbewertet.
  • Fallende Gleichgewichtszinsen rechtfertigen steigende Immobilienpreise, da ein höheres Verhältnis von Preisen zu Mieten begründet wird.
  • Fundamentale Preisanstiege können jedoch zu überzogenen Erwartungen zukünftiger Preise und somit zur Blasenbildung führen.

Seit der Finanzkrise kann ein kontinuierlicher Anstieg der Immobilienpreise in Österreich beobachtet werden. Aktuell (Q3 2019) liegen Wohnimmobilienpreise in Österreich 79 % über dem Niveau von Anfang 2009, in Wien sind es sogar 96 % (Österreich ohne Wien: 68 %). Bereinigt um den Anstieg des allgemeinen Preisniveaus ist der Anstieg der realen Immobilienpreise immer noch sehr beträchtlich und liegt bei 47 % (Gesamt-Österreich), 62 % (Wien) und 39 % (Österreich ohne Wien). Vor allem in Wien ist ein Großteil des Anstiegs der Immobilienpreise jedoch bereits vor Beginn des EZB-QE Programms (2015), welches zu einer deutlichen Absenkung des Zinsniveaus geführt hat, zu beobachten. Immobilienpreise (real) liegen aktuell 20 % (Gesamt-Österreich) bzw. 14 % (Wien) über dem Niveau von Anfang 2015. Laut einer kürzlich erschienenen Studie beträgt der QE-Effekt (EZB-Bilanzsummenausweitung von 100 %) auf reale Immobilienpreise in Österreich 17 % (Median) und ist somit vergleichbar mit der beobachteten realen Preisänderung (De Luigi, Feldkircher, Poyntner und Schubert, 2019, Tabelle 2).

Steigende Immobilienpreise müssen nicht zwingendermaßen die Bildung einer Immobilienblase reflektieren, sondern können auch fundamental gerechtfertigt sein. Auf Basis des Fundamentalpreisindikators der OeNB lässt sich jedoch eine Überbewertung des Wiener Immobilienmarktes von 26 % feststellen, 14 % für Gesamt-Österreich (Stand Q2 2019). Der Fundamentalpreisindikator setzt sich aus sieben Teilindikatoren zusammen, welche eine genauere Analyse der Überbewertung ermöglichen. Der größte Beitrag zur Überbewertung des Immobilienmarkts Gesamt-Österreichs stammt von den realen Immobilienpreisen, gefolgt von den Relationen der Immobilienpreise zu Baukosten und Immobilienpreise zu Mieten. Am Wiener Markt sind die zwei letzteren Komponenten deutlich ausgeprägter als in Gesamt-Österreich. Der Anstieg der Immobilienpreise, kann demnach nicht durch die allgemeine Preisentwicklung, eine Steigerung der Baukosten oder durch Mietpreissteigerungen erklärt werden. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsweise, dass eine Korrektur unmittelbar bevorsteht, da die Abweichung realer Immobilienpreise selbst über Jahrzehnte bestehen kann.

Im OeNB Fundamentalpreisindikator wird das Zinsniveau in zwei Subindikatoren berücksichtigt: Leistbarkeit & Zinsrisiko. Niedrige Zinsen erhöhen die Leistbarkeit und lassen damit höhere Immobilienpreise als fundamental gerechtfertigt erscheinen. Dem entgegen können niedrige Zinsen zu erhöhtem Zinsrisiko führen, falls die Zinsen aufgrund antizyklischer Geldpolitik unter den Gleichgewichtszinsen liegen und daher zu einem späteren Zeitpunkt wieder erhöht werden. Am gesamt-österreichischen Immobilienmarkt gleichen sich diese Faktoren aus. In Wien ist die Leistbarkeit aufgrund steigender Immobilienpreise deutlich gesunken, bleibt aber dennoch im langfristigen Durchschnitt. In Gesamtösterreich liegt die Leistbarkeit trotz steigender Immobilienpreise noch über dem langfristigen Durchschnitt. (4)

Das langfristige Niedrigzinsumfeld, dem ein historisch niedriger Gleichgewichtszinssatz zugrunde liegt (Produktivität, Demografie, etc.), wird jedoch im OeNB Fundamentalpreisindikator nicht adäquat berücksichtigt, wodurch die signalisierte Überbewertung des österreichischen Immobilienmarktes möglicherweise überschätzt wird. Eine Reduktion des Gleichgewichtszinssatzes impliziert ein höheres fundamental gerechtfertigtes Verhältnis von Immobilienpreisen zu Mieten (Price-Rent-Ratio). Diese, aus Investmentperspektive bedeutende Kennzahl, wird im OeNB Fundamentalpreisindikator jedoch als im langfristigen Durchschnitt konstant angenommen. Ein niedrigerer Gleichgewichtszinssatz steigert die Nachfrage nach Immobilieneigentum, aufgrund der niedrigeren Finanzierungskosten sowie der steigenden Attraktivität von Immobilien als Kapitalanlage. Dies führt zu steigenden Immobilienpreisen, auch aus fundamentaler Perspektive. Die Suche nach Rendite führt zu steigendem Angebot an Mietwohnungen, was Mietpreiserhöhungen bei gleichbleibender Nachfrage dämpft. Das Verhältnis von Immobilienpreisen zu Mieten steigt. Ein sinkender Gleichgewichtszinssatz geht somit mit steigenden Immobilienpriesen sowie einem höheren Verhältnis von Immobilienpreisen zu Mieten einher (Sommer, Sullivan und Verbrugge, 2013).

Zusammenfassend können wir schlussfolgern, dass die Immobilienpreise in Österreich und vor allem in Wien seit der Wirtschafts- und Finanzkrise stark gestiegen sind, sowohl nominell als auch real. Auf Basis des OeNB Fundamentalpreisindikators lässt sich eine Überbewertung des Wiener Immobilienmarktes von 26 % (Gesamtösterreich: 14 %) feststellen. Ein langfristiges Niedrigzinsumfeld führt aufgrund erhöhter Leistbarkeit sowie der höheren Attraktivität von Immobilien als Kapitalanlage zu höheren Immobilienpreisen, auch im Verhältnis zu Mieten, was vom OeNB Fundamentalpreisindikator nur teilweise berücksichtigt wird. Demnach darf ein Anstieg der Immobilienpreise bei sinkenden Gleichgewichtszinsen nicht automatisch mit einer Blasenbildung gleichgesetzt werden. Führt der beobachtete Anstieg der Immobilienpreise jedoch zu optimistischen Erwartungen zukünftiger Preisentwicklungen, kommt es zur Blasenbildung. Fundamental begründete Anstiege von Vermögenswerten, wie durch niedrigere Gleichgewichtszinsen, kann so die Wahrscheinlichkeit der Blasenbildung erhöhen (Adam, Marcet und Beutel, 2017).

Literaturverzeichnis
Adam, K., Marcet, A., und Beutel, J., 2017, Stock Price Booms and Expected Capital Gains, American Economic Review, 107:8, 2352-2408.
Aghion, P., A. Bergeaud, C. Gilbert, R. Lecat und Maghin, H., 2018, The Inverted-U Relationship Between Credit Access and Productivity Growth, Banque de France Working Paper No. 696, October 2018
Andrews, D. und Petroulakis, F., 2019, Breaking the Shackles: Zombie Firms, Weak Banks and Depressed Restruturing in Europe, Working Paper Series No 2240, European Central Bank
Banerjee, R. und Hofmann, B., 2018, The Rise of Zombie Firms: Causes and Consequences, BIS Quarterly Review, September 2018
Basten, C. und Mariathasan, M., 2018, How Banks Respond to Negative Interest Rates: Evidence from the Swiss Exemption Threshold, CESifo Working Papers No. 6901, February 2018
Beer, C., Gnan, E., und Ritzberger-Grünwald, D., 2016, Saving, portfolio and loan decisions of households when interest rates are very low. Survey evidence for Austrian households, Österreichische Nationalbank.
Caballero, R. J., Hoshi, T. und Kashyap, A. K., 2008, Zombie Lending and Depressed Restructuring in Japan, American Economic Review, 98:5, 1943-1977.
De Luigi, C., Feldkircher, M., Poyntner, P., und Schubert, H., 2019, Effects of the ECB’s Unconventional Monetary Policy on Real and Financial Wealth, WU Department of Economics Working Paper No. 286.
Haber, G., und Turner, J., 2019, Liquidität für Haushalte wichtiger als Rendite. Aktuelle Ergebnisse des Finanzverhaltens österreichischer Haushalte bis Juni 2019.Presseaussendung der Österreichischen Nationalbank, 22. Oktober 2019.
Heider, F., F. Saidi und Schepens, G., 2019, Life Below Zero: Bank Lending under Negative Policy Rates, The Review of Financial Studies 32, 3728-3761
Liu, E., Mian, A. und Sufi, A., 2019, Low Interest Rates, Market Power, and Productivity Growth, Working Paper, January 2019
Sommer, K., Sullivan, P., und Verbrugge, R., 2013, The Equilibrium Effects of Fundamentals on House Prices and Rents, Journal of Monetary Economics, 60, 854-870.

(1)  Eine detaillierte Diskussion findet sich im UNIQA Capital Markets Weekly vom 9. September (https://press-uniqagroup.com/News_Detail.aspx?id=91367&menueid=1704&l=english)
(2) Die Kategorie Altersvorsorge umfasst Lebensversicherungsansprüche, kapitalgedeckte Pensionsansprüche und Ansprüche an betrieblichen Vorsorgekassen.
(3) Vorsorge in Zeiten von Negativzinsen (https://press-uniqagroup.com/news_detail.aspx?id=85827&menueid=1684&l=deutsch).
(4) Zusätzlich zum Zinsniveau beeinflusst auch das Einkommen die Leistbarkeit.


Authors
Martin Ertl                                                Franz Xaver Zobl
Chief Economist                                      Economist
UNIQA Capital Markets GmbH               UNIQA Capital Markets GmbH

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